Archiv für den Monat: Mai 2018

Verroht

Ich wusste nicht einmal genau, was mich störte. Und warum es mich störte. Ich wusste nur: es fühlt sich falsch an. Falsch in meinem Bauch, der unangenehm grummelte. Schmetterlinge im Bauch sozusagen, aber nicht auf die gute Art sondern auf sehr unangenehme Weise. Eher wie Flugzeuge im Bauch, wie Grönemeyer sagen würde als er von Liebeskummmer und Seelenschmerz sang. Sag nichts, du willst doch tolerant sein. TOLERANT. LIBERAL. Belächle es und wechsle das Thema.  Alle anderen am Tisch lachen doch auch mit. Jedem das Seine. Jeder wie er mag. Jeder nach seiner Fasson. Du willst doch nicht spießig sein. Verklemmt. Von vorgestern. Wir leben doch in einer Demokratie. So ist das halt. Stell dich nicht so an. Das ist normal. Normal. Normal.Normal.

– Kollege XY ist mit seinen üblichen Junggesellen-Kumpanen mal wieder in Thailand im Urlaub. Kinderf****n. Du weißt ja, kriegen sonst keine ab. Kaltes Lächeln. Das vermeintliche Recht auf Sex. Und sei es nur gekaufter?
– Zum Junggesellenabschied waren wir in Düsseldorf, da geht man vor der Eheschließung nochmal in den Puff, die Kumpels legen alle zusammen und dann kann der nochmal ordentlich bevor er eingesperrt wird. Ist Tradition. Ist ja zauberhaft.
– Hier, bring deinem Mann diesen Gina Wild Film mit. Guck nicht so entsetzt, das schaut jeder Mann, der verheimlicht das halt vor dir.
– Ein Auto wirbt mit „Eros-Center Laufhaus“ Aufklebern für ein Etablissment. Visionen von Frauen, die nach Hautfarbe sortiert vor Verrichtungszimmern warten blitzen in meinem Kopf auf. Und der egoistische Gedanke: zum Glück muss ich das nicht.
– Hast du schon gehört, es gibt so eine Art Viagra für Frauen. Dass ihr mal wieder Lust bekommt! (Hm, vielleicht liegt es eher daran, dass Frau keinen Bock auf das immerwährende Schema F des Mannes hat? Randinformation: die Pille unterdrückt die Libido).
– Im Vorabend Programm werben Firmen für Sexspielzeug für Frauen (wen auch sonst?) mit Orgasmusgarantie – ansonsten Geld zurück. Desweiteren werden Cremes und Gele gegen vaginale Trockenheit angeboten. Es ist 18 Uhr, meine Tochter sitzt da, wir schweigen. Ich wüsste nicht was ich dazu zu sagen hätte. (Wann kommt Viagra-Werbung und Reklame für Penis-Pumpen bei Impotenz? Ach so, nie. Stimmt ja. Hab das mit dem Patriarchat kurz vergessen).

Ich bin nicht naiv und spinne den Faden gedanklich weiter, was die Kids sich auf dem Schulhof gegenseitig so auf dem Handy präsentieren könnten. Noch ein Nagel zu meinem Sarg.
Seit ich Instagram habe weiß ich, wer Stoya und Sasha Grey sind, gehypt als Role Model für junge Frauen die immer wieder begeistert Bilder posten, weil diese beiden für „sexuelle Freiheit und Selbstbestimmung“ stehen. Ich vermeide es, mir zu Recherchezwecken diese Filme reinzuziehen. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass das Erfüllen männlicher Wünsche und das Vergewaltigen gegen Gage eine sexuelle Befreiung darstellt. Und ich frage mich, warum sie das selbst glauben?
Wie schnell wäre es mit dem Hinnehmen von Pornokonsum und Prostitution vorbei, würde die eigene Tochter sich in dieser kranken, entmenschlichten Branche verdingen müssen?
Und irgendwann wusste ich es. Wusste, was meine Intuition mir schon immer flüsterte, auch in jungen Jahren wo ich noch keine Ahnung von all diesen P-Begriffen hatte,  was sich so falsch und widernatürlich anfühlte. Es war das Herabwürdigende, Verachtende, aber als Normalität verkaufte, das manche -leider viele- aber längst nicht alle Männer den Frauen und deren Rolle in der Gesellschaft entgegenbrachten.

Wie unglaublich verroht das war, festgemacht am Beispiel des onanierenden Mannes vor dem Porno und der Frau mit ihrem Dildo. Soll das eine Beziehung im Jahr 2018 sein deren Motto lautet, ich brauch dich nicht, ich habe mein Ventil und auch mein Werkzeug, geh du in dein Zimmer und ich in meins. Wie unglaublich traurig und deprimierend. Das soll also normal sein. Wir arbeiten getrennt, haben getrennte Hobbies, essen separate Speisen, sind zu unterschiedlichen Zeiten zuhause, schauen getrennt Fernsehen (er Fußball/sie Pilcher), so das Klischee – und on top: getrennter Sex. Autsch. Und zum Geburtstag gibt es einen hübsch verpackten Dildo, wie nett, am besten noch in Pink mit Swarovski-Steinen, jippiiieee!!
Rape me. Rape me my friend singt Kurt Cobain. Und alle singen mit.