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Lost & found

Es war Dienstagabend, der 23.10.19 um ca. 23.45 Uhr und ich checkte meine Nachrichten am Handy. Ich sage immer „Handy“, der Begriff „Smartphone“ kommt mir nicht über die Lippen. Der Tag war stressig gewesen, und nach dem Elternabend kam ich jetzt endlich dazu, mich auf den neuesten Stand zu bringen. Ich hatte was meinen verschwundenen Kater betraf gerade die Phase der Akzeptanz erreicht, da bekam ich per WhatsApp ein Foto welches eine Bekannte aus Facebook kopiert hatte. Es zeigte eine schwarze Katze, und sie schrieb dazu: „Könnte das euer Dave sein?“ Ich studierte das Bild genauer. Auf den ersten Blick hatte er nichts mit meinem großen, stolzen und schweren Kerl gemeinsam. Aber es ließ mich nicht los. Zu zweit vergrößerten wir das Bild, studierten jedes einzelne Härchen und kamen zu dem Schluss: es besteht eine frappierende Ähnlichkeit. Da ich aus FB raus war, schrieb ich meiner Bekannten sie solle die Dame, welche die „Katze zugelaufen“ Meldung veröffentlicht hatte, bitte kontaktieren und ihr meine Nummer geben, sie möge sich mit mir in Verbindung setzen. In dieser Nacht wälzte ich mich nur herum. Konnte es wirklich wahr sein, gefunden 17 km weit entfernt im Wald??? Ich dachte, er wäre tot. Die Eckdaten passten, Rasse, kastriert, Farbe.. usw. Dass er nach 3 Monaten Wanderschaft verändert aussah verstand sich von selbst.

Mittwoch, 24.10.19 07:00 Uhr. Mein Handy klingelte, unbekannte Nummer. Ich ging dran, die Finderin war am anderen Ende der Leitung. Wir tauschten uns aus, schickten Bilder hin und her.. aber es half alles nichts. Ich sagte ihr, ich müsse ihn live und in Farbe sehen, wir erkennen einander. Das Hin und Her musste ein Ende finden. Dieses Wechselbad der Gefühle hielt ich nicht aus. Falls nicht wäre es eben so, aber ich würde mir ewig Vorwürfe machen wenn ich es nicht überprüft hätte. Ich durchsuchte meine Unterlagen vom Tierarzt, ich hatte ihn nämlich kastrieren und tätowieren lassen. Das war 2016. Ich konnte die Papiere nicht finden, war aber ohnehin nicht Herr meiner Sinne. Nach 3 eilig gerauchten Zigaretten (das Nikotin sollte mich beruhigen, so hoffte ich) rief ich bei meiner Tierärztin an und schilderte die Situation. Die Sprechstundenhilfe druckte mir eine Kopie aus die ich abholen wollte, quasi als Beweis das es mein Kater war. Man konnte die Zahlen in den dunklen Öhrchen mit den Puscheln gerade so erkennen. An Arbeit war nicht zu denken, ich schlurfte wie ein Zombie durchs Büro und war gedanklich meilenweit weg. Ständig hing ich am Handy.. um 11 Uhr morgens hielt ich es nicht mehr aus. Ich erklärte den Kollegen was los war und bat darum gehen zu dürfen. Zum Glück gehören zu den engsten Kollegen Katzen-und Hundebesitzer die vollstes Verständnis hatten. Ich haute ab. Trotz meines Chaos im Kopf und im Bauch war ich soweit strukturiert:

1)      Tierarzt, Papiere abholen

2)      Bank, Bargeld abheben

3)      Transportkorb zuhause mitnehmen

4)      Ohne Unfall zu den Findern zu gelangen

Wie ich zu der angegebenen Adresse gelangte weiß ich nicht mehr. Meine Gedanken liefen Amok: was wäre, wenn sie den Kater nicht rausrücken würden? Was würde ich tun? Wenn es doch nicht Dave wäre? Wenn wenn wenn…

Ich klingelte und marschierte durch den Hof, sie wartete an der Balkontür auf mich, zu ihren Füßen Dave. Ich erkannte ihn auf den ersten Blick. Sie ließ mich herein, ich kniete mich auf den Boden und fragte: „Dave?“ Er kam auf mich zu, ließ sich auf den Arm nehmen. Ich konnte die Tränen nicht zurückhalten und heulte ihm in sein Fell während ich ihn hin und her wiegte wie ein Baby. Zum Teufel mit der Selbstbeherrschung! Trotzdem entschuldigte ich mich für meine Heulattacke. Vor fremden Menschen die Contenance zu verlieren hat etwas despektierliches. Lieb fand ich, dass sie sich einfach zu mir auf den Boden setzte. Manche Gesten sagen mehr als 1000 Worte. Die Zahlen in seinen Ohren fegten jeden Zweifel beiseite, er war es. In der Zwischenzeit hatte sich herausgestellt, dass die Finder ihn bei einem Tierarzt vorgestellt hatten, dieser hatte die Tätowierung identifiziert und daraufhin meinen Tierarzt kontaktiert. Es lebe die deutsche Gründlichkeit! Es war also amtlich.

Er war so leicht, er hatte eine Menge an Gewicht verloren. Gut 20 Zecken waren ihm entfernt worden, das Fell etwas gestutzt und gekämmt. Dave hatte auch das Herz seiner Pflegemama im Sturm erobert. Sie hätte ihn gerne behalten wenn sich niemand gemeldet hätte, ins Tierheim wollte sie ihn nicht geben. Wir unterhielten uns noch eine Weile, sie gab mir alles Futter mit was sie für ihn besorgt hatte und bat mich in Kontakt zu bleiben und ab und zu ein Bild zu schicken, was ich ihr gerne versprach. Ich drückte ihr 2 Scheine in die Hand, empfand es als das Mindeste. Wieder einmal merkte ich wie verschissen gleichgültig mir Geld doch war wenn ich nur meine Liebsten um mich hatte – und das im besten Fall gesund und munter. Im Auto tätigte ich 3 Anrufe, schranzte zum Abschied über einen Bordschein – es empfiehlt sich einfach nicht, zitternd und verheult Auto fahren zu wollen – aber scheiß drauf. Nach genau 3 Monaten war unser Ausreißer wieder da. Für was die sogenannten sozialen Medien und Netzwerke (die ich oft als asozial empfand) DOCH gut waren! Wir sind sehr dankbar.

Danke an alle die so hilfsbereit waren, Suchplakate geklebt, Meldungen geteilt, mir geschrieben, die Daumen gedrückt, unermüdlich nachgefragt und an ihn gedacht haben. Und last but not least ein riesiges Dankeschön an die Finder, die sich so lieb und selbstlos gekümmert haben. Mir ist vollkommen klar, dass das nicht selbstverständlich ist.

Ich werde euch das nie vergessen.