Archiv für den Monat: November 2021

Femizide und Misogynie

Jenny Böken, 18 Jahre alt

Sie war im Jahre 2008 Kadettin auf der “Gorch Fock”, einem Schiff der deutschen Bundesmarine, wo sie ihren Traum Marineärztin zu werden verwirklichen wollte. Ihr lebloser Körper wurde aus dem Meer geborgen, nachdem sie Tage zuvor “unter ungeklärten Umständen über Bord gegangen sei.” Vieles spricht gegen einen Unfall, sie war z.B. nur leicht bekleidet (was keinen Sinn ergibt, da sie Wache an der Bugspitze hatte) und hatte keinerlei Wasser in der Lunge (sie konnte also nicht ertrunken sein). Richtige Ermittlungen hat es nie gegeben, vermutet wird ein Kapitalverbrechen – aber der Fall scheint geschlossen. Hat man keinen Bock auf Frauen, die in Männerdomänen beruflich Fuß fassen wollen? Hatte man sich Jenny aus Gründen entledigt? War sexuelle Gewalt im Spiel?

Jenny´s Eltern haben eine Homepage mit sehr vielen Informationen, Hintergründen, allen Ungereimtheiten und einer Petition zur Wiederaufnahme des Verfahrens eingerichtet. Die ARD strahlte 2017 den Spielfilm “Tod einer Kadettin” aus, der den Fall aufgreift.

http://www.jenny-boeken.de/

Gemma Hayter, 27 Jahre alt

Im August 2010 wurde die junge Frau aus Rugby in England von 5 sogenannten “Freunden” gequält, misshandelt, gefoltert und schließlich umgebracht. Gemma litt an einer Behinderung, war geistig zurückgeblieben und konnte daher ihr Leben nicht alleine bewerkstelligen. Sie konnte nicht verstehen was mit ihr geschah, wie schäbig sie ausgenutzt und behandelt wurde, denn sie hatte den Menschen aufgrund ihrer Krankheit blind vertraut. Gemma bewahrte Drogen für die “Freunde” auf weil sie glaubte, es handele sich dabei um Geschenke.

Andrea K., 19 Jahre alt

Sie wurde im April 2020 ermordet. Nachdem man sie entkleidet und gefesselt hatte, band man ihr eine Betonplatte an die Füße und warf sie bei lebendigem Leib in Niedersachsen in die Weser, wo sie qualvoll ertrank. Andrea sollte sich prostituieren, litt aber an einer bipolaren Störung, redete wirr, nässte sich ein und war somit UNBRAUCHBAR für ihre Menschenhändler. Sie brachte keinen Profit. Der Haupttäter bekam 8 Jahre Haft – ganze 8 Jahre war Andrea´s Leben in Deutschland wert, in welchem sie hauptsächlich nur Scheiße erlebt hatte. Sie hinterlässt eine kleine Tochter.

Frauen werden als Ware ge-und behandelt, sie werden im Milieu benutzt, entmenschlicht und wie Müll entsorgt.

Alberta Williams, 24 Jahre alt

1989 wurde Alberta in Kanada am sogenannten “Highway of tears” ermordet aufgefunden. Sie zählte zu den indigenen Frauen im Distrikt British Columbia, ihr Mord wurde nie aufgeklärt. Sie teilt damit das traurige Schicksal vieler indigener Frauen dort, es besteht kein Interesse das Verschwinden und die Tode derer aufzuklären, da diese Frauen als unterdrückte Randgruppe gelten für die sich niemand einsetzt und die somit keine Stimme haben. Prostitution, Drogen-und Alkoholsucht, Arbeitslosigkeit und Armut herrschen vor und daher sind die Opfer anscheinend nicht wichtig genug für eine Ermittlung? Hat die Gesellschaft kein Interesse an Wahrheit und Aufklärung? Wie wäre die Sachlage angesichts der Hautfarbe, handelte es sich statt indigener um weiße Opfer?

Hatun Sürücü, 23 Jahre alt

Hatun wurde 2005 in Berlin das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben abgesprochen und ihr dieses genommen. Erschossen vom eigenen Bruder, weil sie sich gegen die Moral-und Kulturvorstellungen ihrer kurdischen Familie auflehnte. Sie blieb nicht bei ihrem Ehemann, zog ihren Sohn alleine auf, machte die Berufsausbildung die sie wollte und interessierte. Sie wollte nach westlichen Werten leben und das ihre, eigene Leben gestalten. Das konnte und wollte die Familie nicht akzeptieren, sie fiel einem sogenannten “Ehrenmord” zum Opfer. Frauen gelten als minderwertig, stehen auf unterster Stufe und müssen dem Mann gehorchen.

Auch hier gibt es eine Film zu Hatuns Schicksal: “Nur eine Frau”, aus dem Jahre 2019

Nathalie Wood, 43 Jahre alt

Die weltberühmte Hollywood-Schauspielerin war 1981 im Meer bei Los Angeles ertrunken. Gerüchte ranken sich seither darum, ihr Ehemann der Schauspieler Robert Wagner hätte etwas damit zu tun – es wird immer wieder unterstellt, er hätte sie umgebracht. Wagner weigert sich seit der mysteriöse Todesfall geschehen ist, sich von der Polizei vernehmen zu lassen . Nathalie war augenscheinlich geschlagen worden und stark betrunken als sie starb. Außerdem gibt es Zeugenaussagen die besagen, sie und Wagner hätten sich vorher heftig gestritten. Frauen werden als Besitztum angesehen.

Robert Wagner´s Karriere hat dadurch übrigens keinen Schaden genommen. Er ist nach wie vor gut im Geschäft.

EPILOG

Wer gute Nerven und einen stabilen Magen hat, darf sich gerne in Freierforen im Internet darüber informieren, wie über prostituierte Frauen geschrieben wird: ein bunter, ekelhafter Strauß unmenschlicher Äußerungen. Fragen nach den “kaputtesten”, “engsten”, “jüngsten” und “fertigsten” F***** die alles, aber auch alles mitmachen. Soviel zum Thema “Sexarbeit”, die ein Job wie jeder andere sei. Ich schäme mich für unseren Zuhälter-und Freierstaat.

Häusliche Gewalt: alle 3 Tage stirbt eine Frau durch ihren Partner oder Ex-Partner. Verniedlicht und verschleiert werden die Gewalttaten durch Umschreibungen wie Familiendrama, erweiterter Suizid, Beziehungstat. Was die Begrifflichkeit angeht sei angemerkt, seit wann sind Häuser gewalttätig? Nennen wir die Dinge doch beim Namen!

In Ländern wie beispielweise China, Indien, Südkorea oder im Südkaukasus werden selektive Abtreibungen an weiblichen Föten vorgenommen. Mädchen sind nichts wert, sie “kosten” nur. Die Mitgift nämlich.

In Fällen sexueller Gewalt wird standardmäßig nach der Bekleidung des Opfers gefragt, nach Alkoholkonsum sowieso. Im schlechtesten Fall auch nach dem Sexualleben. Was hat das eine mit dem anderen zu tun? In etwa soviel wie Plattpfirsiche mit Fensterbrettern. Solange Victim Blaming betrieben wird, kann niemals Gerechtigkeit erlangt werden oder eine gerechte Strafverfolgung stattfinden. Miniröcke und/oder zuviele Cocktails legitimieren niemals einen sexuellen Übergriff oder eine Vergewaltigung.

Damit wären wir zu guter Letzt bei den viel zitierten Grundrechten, ein in der Corona Pandemie überstrapazierter Begriff. Wie sehen die Grundrechte von Frauen generell aus, sind diese nicht von Geburt an beschnitten und limitiert? Gehe nachts nicht allein durch den Wald oder Park, wähle einen Autostellplatz an einer belebten Ecke aus, kleide dich sittsam und nicht sexy und wenn du das alles doch tust, dann bist du eben selbst schuld wenn dir Schlimmes widerfährt. Hast es geradezu herausgefordert. Bringen wir Jungs das Selbe bei? Lauter kritische Fragen, die wir uns immer wieder stellen sollten. Und darüber reden. Vor allem darüber reden, immer und immer wieder.