Archiv für den Monat: November 2025

Zeichen

Ich lief den Fluss entlang und suchte nach einem Zeichen. Kein einziges Tier war da. Keine Enten, keine Nutrias, nicht einmal der Eisvogel, den ich für gewöhnlich an einer bestimmten Stelle sah. Merkwürdig. Heute nicht. Heute ausgerechnet nicht. Und warum überhaupt hoffte ich, das Zeichen in einem Tier zu finden? Ich assoziierte wohl ein Tier mit ihr und ihrer Persönlichkeit. Paradiesvogel. Nicht nur wegen der bunt gefärbten Haare wie sie es zu Lebzeiten gerne trug. Sie hatte ihren ersten Todestag. Sie fehlte mir und war so fern, und gleichzeitig war sie mir ganz nah. Ich wusste, es gab eine Person der ich von meiner bekloppten Mission berichen konnte. Sie würde mich weder auslachen noch verurteilen, sie würde verstehen. Ich wurde nicht enttäuscht. Sie selbst hatte morgens an ihrem Grab ebenfalls nach einem Zeichen Ausschau gehalten und eine Grille zirpen gehört. Sie war sich sicher: das war SIE gewesen. Das rührte mich. Ich glaubte daran. Wollte daran glauben. Wir schickten uns Nachrichten hin und her, das tat mir gut. Schlussendlich fand ich eine Trauerweide. Kein tierisches Zeichen, aber immerhin. Meine Güte, wie klischeehaft. Eine Trauerweide zum Trauern. Klasse. Was gäbe ich jetzt für eine Zigarette! Der Tabak würde mich downen. Aber ich hatte mir selbst das Rauchen tagsüber verboten. Wenn ich es schon nicht schaffte gänzlich aufzuhören, musste ich es wenigstens eindämmen.

In letzter Zeit dachte ich auch viel an Steffen. Woher das kam wusste ich nicht. Er hatte im November Geburtstag aber das zählte nicht. Oder doch? Wir gingen gemeinsam in den Kindergarten, in die Grundschule, später zur Realschule und trafen uns auch in den folgenden Jahren während seines Studiums und meiner Ausbildung. Er nahm sich das Leben und alles was mir blieb war eine Nena Kassette, die wir in meinem Auto hörten und die Erinnerung an einen Schlager auf den er immer mit mir tanzen wollte, er nahm mich fest in seine Arme und sang lauthals mit „ich wünsch dir Liebe ohne Leiden/und eine Hand die deine hält.“

Ich kehrte zur Firma zurück, meine Mittagspause war zu Ende und ich war es auch. Der permanent unzufriedene Kollege beklagte sich über das Übel der Welt und dass Deutschland am Ende sei. Eine Rettung unmöglich. Ich ballte die Hand in meiner Jackentasche zur Faust und murmelte irgendeine Beleidigung die er eh nicht hörte da er nur sich selbst hörte, sah und für relevant hielt. Der andere Kollege mit dem furztrockenen Humor machte einen Joke und brachte mich zum Lachen. Alles war wie immer.