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Weird feelings

Was Facebook und andere sogenannte soziale Netzwerke mit sich bringen: virtuelle Freundschaften. Ich vergleiche sie gerne mit  Brieffreundschaften, wie ich sie früher als Kind und Jugendliche hatte. Eigentlich völlig fremde Menschen, denen man  jahrelang Briefe schrieb und welche zurück bekam.

Einen „Brieffreund“ hatte ich über FB kennengelernt. Ich kam gerade aus dem Urlaub in den Staaten zurück, einer Neuengland-Rundreise im Indian Summer. Da hatte ich eine Nachricht aus Philadelphia im Brieffach. Ich wertete das als Zeichen, weil ich eigentlich nicht an Zufälle glaube. Schließlich war ich 5 Tage zuvor noch in seiner Heimatstadt unterwegs gewesen. Ich antwortete und so entstand die besagte „Brieffreundschaft“.

Es war seltsam, wir teilten denselben absolut kranken und schrägen Sinn für Humor. (Wo andere den Kopf schütteln, da lache ich mich schief). Ebenso den gleichen Musikgeschmack und wir mochten die gleichen TV-Shows. Wir lachten darüber, dass ich im Herzen Amerikanerin sein will und in den USA leben möchte, so wie er umgekehrt immer in Deutschland leben wollte wo seine Wurzeln liegen und er Verwandte hat, keine Stunde Fahrt von mir entfernt. Wenn eine neue Serie drüben startete die mir am Herzen lag, berichtete er mir sofort davon; so wie ich ihm reportete wenn in Deutschland ein für ihn wichtiger Boxkampf ausgetragen wurde.

Ich freute mich immer von ihm zu lesen, oder die Songs zu hören die er postete.  Er war jedenfalls ein positiver Faktor der mich zum Lachen brachte im Internet-Dschungel und Facebook-Wahnsinn. Als er vor 3 Monaten einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen musste, mailten wir auch über dieses Thema und ich versuchte ihn zu trösten so gut ich konnte. (Manchmal kann man sich den Menschen die einen nicht persönlich kennen vielleicht mehr öffnen, wer weiß. Wahrscheinlich weil sie vorurteilsfrei sind.)

Es hat mich sehr getroffen, als ich am Samstag auf FB von seinem Tode erfuhr. Die Tränen kullerten zu gleicher Zeit als mir bewusst wurde, dass ich ihn ja „gar nicht richtig“ kannte. Aber man fühlt eben, was man fühlt. Ganz gleich ob logisch oder unlogisch, überzogen, dramatisch oder sonst wie deklariert. Schließlich hat man keine Schere im Kopf. Ich hätte ihm jedenfalls  etwas Besseres gewünscht als den Tod mit 39. Das alles über Facebook zu erfahren ist wohl der Geist der Zeit. Aber: ist es soviel anders als eine Zeitungsanzeige, oder die öffentlichen Bekanntmachungen im Rathaus? Ich wage zu sagen: nein. Besser so, als wenn nie mehr eine Antwort von ihm gekommen wäre und ich mich ewig gefragt hätte, warum.

Ruhe in Frieden Paul, schade dass wir uns nie persönlich kennengelernt haben.

See you on the other side?!

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Kopfgrütze: Trauer, Tränen und Trotz

„Es ist mir so schwergefallen, zu euch zu kommen.“

„Noch nie ist es mir so schwergefallen, jemanden anzurufen.“

„Ich wollte ihn ja besuchen, aber weisst du,  ich kann das nicht.“

„Nein, ich kann da nicht hin – in Krankenhäusern fühle ich mich nicht wohl.“

„Er konnte seinen sterbenden Vater nicht besuchen, weisst du, der kann das nicht.“

 

Diese und ähnliche Sätze schwirren seit einiger Zeit in meinem Kopf herum. Klar: hier geht es ohne Umwege zum Thema persönliche Tragödien, Katastrophen, Sterbefälle, Krankheiten. Sachen, die passieren. Passieren können  – jedem von uns. Shit happens.

Wenn im Umfeld schlimme Dinge passieren, ist emotionaler Ausnahmezustand angesagt. Was man dann gar nicht gebrauchen kann, sind obige Sätze. Diese, in den Gänsefüßchen. Zeugen sie doch von Egoismus und Selbstsucht, denn hier heißt es immer nur: ICH ICH ICH ICH. Es wird immer nur vom ICH gesprochen. Dabei geht es doch um etwas ganz anderes oder jemand ganz anderen. Sollte man da nicht fähig sein, sich und seine eigenen Gefühle zurückzunehmen? Wenn man nicht weiß was man sagen soll, könnte man eben genau DAS ausdrücken. „Du, ich weiß nicht was ich sagen soll, aber ich wollte eben mal schauen wie es Dir geht und fragen ob ich etwas helfen kann.“ Zum Beispiel.

Flashback: Eine Freundin, deren große Liebe sehr jung starb, erzählte mir was ihr beim Spazierengehen widerfuhr als ihr ein Bekannter entgegenkam:

„Stell dir vor, der hat doch tatsächlich die Straßenseite gewechselt als er mich gesehen hat!“

Was für ein Würstchen!

 

Ein Familientodesfall bei Bekannten, und die beste Freundin der Mutter reagiert überhaupt nicht:

„Meine Freundin hat sich seither nicht gemeldet, sie weiß einfach nicht wie sie mit mir umgehen soll.“

Freundin? Eine dumme Kuh ist das!

Mir sticht es ins Herz, wenn Trauernde auch noch Verständnis für solch ein Verhalten aufbringen (können). Ich kann das nicht. Ich will es auch nicht. Muss ich jeden Scheiß verstehen? Zum wiederholten Male wird mir „Härte“ vorgeworfen. Warum?

Das Schlimmste ist meiner Ansicht nach, dass man Betroffenen ein Stück Normalität nimmt, indem man nicht grüßt, sich nicht meldet wie gewohnt, anruft oder zu Besuch kommt. Sich einfach zurückzieht, weil „man das nicht kann“. Das Unangenehme, das Nicht-Spaßige, das Nicht-Leichte, das Nicht-Triviale. Das Mindestmaß menschlichen Anstands wäre Kontaktaufnahme, ein „Wie geht es dir, kann ich etwas tun“ oder einfach eine Hand auf die Schulter legen. Völlige Ignoranz bis sich der Sturm  gelegt hat finde ich schwach. Wer möchte denn Alleingelassen werden, gerade dann, wenn er Hilfe und Unterstützung braucht? Niemand. Eine Karte tut es auch. (Ja, die handgeschriebenen GEDRUCKTEN Dinger von früher!“)

Vielleicht sollte man sich von Zeit zu Zeit einmal Gedanken darüber machen.

Kloster 074