Stuten. Bissig.

Sie kam, sie sah, sie stürmte herein. Nicht übermäßig attraktiv, etwas ungepflegte Haare vielleicht, gewöhnliche Provinzpflanze meiner vorschnellen und gleichwohl ungewollten Einschätzung nach. Unsouveräne Perfomance.  (Es passiert von allein, wir alle urteilen vorschnell, ich, sie). Und sie urteilte nicht nur, sie (re)agierte.  Es hatte ihr schon letztens nicht gepasst dass ich hier war. Wie es mich ankotzte, dass ich diese Schwingungen so ungefiltert aufnahm. Ich wollte eigentlich nur einen ungezwungenen Abend verbringen und vom Alltagsstress abschalten. Ich wünschte mir manchmal mehr Naivität und/oder Abgestumpftheit für mich selbst. Es würde vieles vereinfachen. Weibliches Konkurrenzdenken, Stutenbissigkeit, doch wer kannte das nicht? Immer wieder lautstarkes Nachfragen bei dem Mann mit dem ich mich gerade unterhielt. „Wie geht es deiner FREUNDIN? Geht es IHR gut? Ich habe SIE schon lang nicht mehr gesehen. Sag IHR einen schönen Gruß. Warum ist SIE nicht hier?“ Und so weiter und so fort. Heißt übersetzt: Er ist vergeben, was hast du hier zu suchen? Verpiss dich! Und fühl dich jetzt mal gefälligst unwohl in deiner Haut. Kam diese Frau nicht auf den Gedanken ich könne kein Single sein? No way. Scheinbar reichte der kleine, beschränkte Horizont nicht so weit. Sie wandte sich zum Gehen, nahm in aggressiver Manier Jacke und Tasche an sich.

In dem Moment als sie mit ziemlichem Schwung in ihre billige Jacke schlüpfte, wusste ich bereits was gleich passieren würde, nämlich, dass mir ihr rechter Ärmel ins Gesicht schlagen würde. Ich drehte mich wohlweislich vorausahnend von ihr weg und meinem Gesprächspartner zu, so dass der Stoff nur meine Haare traf. Dies aber mit Schmackes und Wucht.  Das hatte etwas Despektierliches, dennoch schaffte ich es sie zu ignorieren und cool zu bleiben. Äußerlich. Innerlich stellte ich mir vor, wie ihr Kopf auf einem Stock aussehen würde. Wusste sie denn nicht dass der Abstand zu meinem Mund sofern sie nicht als Cocktail in einem geeisten Glas serviert wurde mindestens 1 Meter betrug? Liebelein, das ist dein Tanzbereich und das ist mein Tanzbereich..ich bin hier und du bleibst mal schön dort drüben. Anscheinend kannte sie weder Anstand noch Würde, Dirty Dancing, Will & Grace, oder American Psycho, von denen ich gerade klammheimlich so einige Zitate eingebaut habe.

Witzigerweise lernte ich am selben Abend 2 weitere mir wildfremde Frauen kennen, die ich sofort megasympathisch und witzig fand. Beiden kamen aus unterschiedlichen Gründen auf mich zu:

Die eine um mein Outfit zu komplimentieren, woraus sich ein sehr nettes Gespräch ergab. Die andere, weil sie mich auf einem Depeche Mode Konzert gesehen hatte und damit der Gesprächsstoff sowieso geritzt war. Und was lernen wir aus diesem Abend? Meine Aura war jedenfalls nicht allein daran schuld, manchmal geht es auch einfach nicht um Feminismus an sich (ein Wort das im Jahr 2017 mehr als überstrapaziert wurde) oder darum, dass alle aber auch alle Frauen zusammenhalten oder per se Freundinnen sein müssen. Manchmal geht es völlig trivial um: Sympathie oder Antipathie. Trotzdem ist die Ärmel-Story ein no-go und wurde von mir als übergriffig empfunden. Du kannst mich ruhig doof finden, das ist vollkommen ok, macht mir nicht das Geringste aus und beruht im Endeffekt auf Gegenseitigkeit. Aber bleib mir einfach vom Leib und auf Abstand: das ist Antipathie mit Respekt.


Das Bild enstand auf dem M´era Luna Festival 2017.

Stiefel: Doc Martens
Kleid: EMP
Jacke: No name
Strümpfe: H&M

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert